Biennaleprojekt gewinnt Kulturpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland

Wolgang Aichner und Thomas Huber bei der Alpenüberquerung
Wolgang Aichner und Thomas Huber bei der Alpenüberquerung

Es war vorerst der letzte Akt eine spektakulären Schiffs-Reise: Sisy, Star einer Biennaleaktion in der lutherischen Gemeinde Venedigs, trat den Rückweg nach Bayern an. Diesmal nicht getragen von den beiden Künstlern Wolfgang Aichner und Thomas Huber, sondern per Schiff und Kraftfahrzeug. In der vergangenen Woche wurde in Venedig im Rahmen einer Finissage der Hinweg des 150 Kilo schweren Bootes über die Alpen gezeigt. "Passage2011 - der Film"

feierte Weltpremiere vor einem internationalen Publikum. Der 29minütige Streifen, eine Mischung aus Dokumentation und Kunst, ließ die dreiwöchige Überquerung der Alpen mit bloßen Händen und unter widrigen Bedingungen noch einmal Revue passieren.

 

Das Projekt "Passage2011 - ein aktionistisches, transalpines Drama" war ein offizieller Beitrag zur 54.Kunstbiennale in der Lagunenstadt. Fünfzehn Wochen war das "Kunstboot" im Auditorium der evangelisch-lutherischen Kirche Venedigs zusammen mit Tagebuchaufzeichnungen und einer Dokumentation ausgestellt. Insgesamt besuchten 26.000 Interessierte die Ausstellung in der ältesten lutherischen Gemeinde Italiens, die sich sehr zentral in der Nähe der Rialtobrücke befindet. Besonders nachdem das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL den Beitrag "mit Sicherheit einer der besten und hintersinnigsten der gesamten Biennale" bezeichnet hatte, wuchs die Nachfrage von deutschen Besuchern. Auch beim italienischen Publikum stieß das Projekt auf großes Interesse. Für viele war es der erste Kontakt zu einer lutherischen Kirche und viele nutzten die Chance, um mehr über Luther zu erfahren oder auch um sich das Lutherporträt von Lucas Cranach in der Kirche anzuschauen.

Zahlreiche Venezianer freuten sich, dass sie zum ersten Mal die lutherische Kirche geöffnet erlebten.

 

Rund 30 Evangelische aus Italien und Deutschland hatten sich bereit erklärt, während der Ausstellung Aufsicht zu führen sowie bei Bedarf die Kirche und lutherischen Glauben vorzustellen. Die Gemeinde Venedig, die aus nur 80 Gemeindegliedern besteht, hätte ohne diese Mitarbeit von Ehrenamtlichen die Kirche nicht öffnen können. Ingrid Pfrommer, Präsidentin der lutherischen Gemeinde in Turin, die selbst als Freiwillige mitwirkte, schrieb den Glaubensgeschwistern in Venedig ins Gästebuch: "Es ist eine tolle Erfahrung zu sehen, wie viele Menschen aus aller Welt an der Kirche interessiert sind, nein, nicht nur an der Kirche, sondern auch an der Gemeinde selbst, was sind die Lutheraner, was tun sie, wer sind sie."

 

Die Gemeinde wurde in der vergangenen Woche mit der Nachricht überrascht, dass das Projekt "passage2011" den Kulturpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (3. Platz) gewonnen hat. Zur Preisverleihung am 17. September wird eine Delegation aus Venedig zusammen mit den Künstlern und der Partnerkirche St. Lukas aus München den Preis in Berlin entgegen nehmen.

 

"Passage2011" ist ein Kunstprojekt von Thomas Huber und Wolfgang Aichner in Zusammenarbeit mit der St. Lukaskirche in München und der Kirchengemeinde Venedig, kuratiert wird es von Dr. Christian Schön.

 

Das Boot sinkt
Das Boot sinkt

„……der Beitrag ist mit Sicherheit einer der besten und hintersinnigsten der gesamten Biennale“ DER SPIEGEL 4.7.2011

 

Zum Finale des „aktionistischen, transalpinen Dramas passage2011“ kam es am 23. Juni zu einer überraschenden Wendung: Nachdem die Künstler Wolfgang Aichinger rund Thomas Huber drei Wochen lang mit bloßen Händen ein 150 Kilo schweres Boot über die Alpen getragen haben, ist es kurz nach dem Stapellauf am Canal Grande versunken. Mehrere hundert Zuschauer waren Zeugen als die beiden Aktionskünstler das Boot an dem Anleger an der Evangelischen-Lutherischen Kirche zu Wasser ließen und ihre geplante Fahrt zur Rialtobrücke begannen. Einige Minuten später ging das Boot samt Mannschaft unter.

 

Nur unter schwierigen Bedingungen war die Expedition von München nach Venedig über den Schlegeis-Gletscher überhaupt geglückt. Die Künstler, denen die Strapazen der vergangenen Wochen anzusehen waren, hatten mit Schnee, Eis und Kälte zu kämpfen. In einem täglich in der Lukasgemeinde in München und in Venedig sowie im Internet veröffentlichten Tagebuch beschrieben sie die zu überwindenden Schwierigkeiten, um zur Biennale zu gelangen.

 

In einer Rede zu Beginn des Stapellaufes erinnerte Pastor Bernd Prigge an den Machbarkeitswahn der Menschen: „Die Selbstüberschätzung des Menschen erlebt ein eindrückliches Exempel. Parallelen zu aktuellen Nachrichten sind

evident: Despoten und Diktatoren gebären sich selbstherrlich – auf Kosten der Bevölkerung. Einst gefeierte technische Errungenschaften wie die Nukleartechnologie erzeugen Katastrophen ohne Gleichen. Auch erleben wir immer häufiger den Kollaps der Natur, weil die Steigerung des Lebensstandards mit dem Raubbau der natürlichen Ressourcen einhergeht.“ Er erinnerte an biblische Urgeschichten wie die Arche Noah, die auch im Landesinneren gebaut wurde und an den Turmbau zu Babel, bei dem Menschen auch im „Höher, Größer, Weiter“ ihr Glück suchten und ins Verderben zu rutschen drohten – bis Gott einschritt.

 

Der lutherische Pastor unterstrich, dass im Falle eines Schiffsbruchs eine anders als erwartete Botschaft des passage2011-Projektes ausgehen könnte:

„Im Scheitern kann etwas Fröhliches liegen. Der Mensch erkennt sich gerade dann, wenn er sich an Widerständen misst. Erfahrungen des Scheiterns sind tiefgreifender als die des Erfolges. Machen reifer, menschlicher, sensibler.“

 

passage2011 ist offizielles Projekt der 54. Internationalen Kunstausstellung

- La Biennale di Venezia. Die Aktion erinnert an Werner Herzogs Filmklassiker "Fitzcarraldo": „War es dort der Plan ein Dampfschiff über einen Berg zu bringen, um im peruanischen Dschungel schließlich ein Opernhaus – Sinnbild des Sieges westlicher Kultur über die primitive Natur – zu errichten, so ist es hier der scheinbar noch sinnlosere Akt, das zwischen Kunstobjekt und funktionalem Vehikel vagabundierende Boot nach Venedig, den Ort maximaler kultureller Verdichtung zu bringen. In ihrer Hybris, der anmaßenden Selbstüberhöhung, lassen sich beide Vorhaben miteinander vergleichen”, so der Kurator der Kunstaktion, Dr. Christian Schoen.

 

Das geborgene Boot ist zusammen mit einer Dokumentation der Alpenüberquerung noch bis zum 11. September 2011 täglich (außer montags) von 15.00 – 20.00 Uhr in der Comunità Evangelica Luterana di Venezia am Campo Ss. Apostoli im Stadtteil Cannaregio in Venedig zu sehen.

 

www.passage2011.org

 

 

Evangelische Zeitung 3.7.
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Artikel Spiegel
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Rialtorede von P. Bernd Prigge
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